Nibelungenbrücke bei Worms

| Strombrücke der (alten) Nibelungenbrücke über den Rhein bei Worms → Zurück zur Übersicht |
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| Funktion | Straßenbrücke | ||
| Adresse | Deutschland, über den Rhein im Zuge der Nibelungenstraße (B 47) zwischen 67547 Worms und 68623 Lampertheim-Rosengarten | ||
| Geographische Lage | 49°37’52.2″N 8°22’45.1″E | ||
| Bauzeit | 1951–53 | ||
| Beteiligte Akteure | Entwurf und Ausführung: Dyckerhoff & Widmann KG (Leitung: Ulrich Finsterwalder, Georg Knittel); Gestaltung: Gerd Lohmer; Berater: Franz Dischinger, Alfred Mehmel; Vertreter der Bauverwaltungen: Wilhelm Klingenberg (Bundesministerium für Verkehr), Ernst F. Wahl (Straßenbauverwaltung Rheinland-Pfalz) | ||
| Tragwerk | Die insgesamt 745 m lange Nibelungenbrücke besteht aus einer linksrheinischen und einer längeren rechtsrheinischen Vorlandbrücke sowie der dazwischen gelegenen Strombrücke. Letztere überwindet den Rhein mit Feldweiten von 101,65 – 114,20 – 104,20 m als Ersatz für den am 19. März 1945 gesprengten Mittelteil der ehemaligen Ernst-Ludwig-Brücke. Über den erhaltenen Caissongründungen des stählernen Vorgängerbaus erheben sich nun Stahlbeton-Pfeiler, die monolithisch mit den gevouteten Überbauten verbunden sind. Gefügt sind die rund 14 m breiten und bis zu 6,50 m hohen Überbauten aus zwei einzelnen schlanken Hohlkästen, die über das Fahrbahndeck gekoppelt sind. Die frei auskragenden Überbauten wurden längs-, quer und vertikal mit Dywidag-Einzelstabspanngliedern ⌀ 26 mm aus höherfestem Stahl St 60/90 (Rm = 880 N/mm2) vorgespannt und zur Ausschaltung eines Höhenversatzes in den Feldmitten durch vorgespannte Gerbergelenke in Form längsverschieblicher Rollenlager gekoppelt. Hierdurch vermitteln die Überbauten bis heute eine Ahnung davon, dass sie einst im Freivorbau erstellt wurden. Über den beiden Strompfeilern entwickeln sie sich dabei als symmetrische Waagebalken, für die von den Widerlagern auskragenden Überbauteile wurden eigenständige Sonderlösungen erarbeitet – so wird etwa auf hessischer Seite der landseitige Teil des Waagebalkens durch eine Kombination von Auslegerbalken und vertikaler Rückhängung aus Spanngliedern ersetzt. | ||
| Bedeutung |
In den Stromöffnungen der Nibelungenbrücke demonstrierte der Spannbeton eindrucksvoll seine Eignung für den Großbrückenbau. Zugleich war das Bauwerk eine der ersten Spannbetonbrücken im Freivorbau – eine Technik, die die Firma Dyckerhoff & Widmann nur kurz zuvor durch Vermittlung von Ernst F. Wahl bei der Lahnbrücke in Balduinstein (1950) erstmals geübt hatte. Zum Bau der Nibelungenbrücke entwickelten Ulrich Finsterwalder und „seine“ Ingenieure von Dyckerhoff & Widmann ein einfach zu verlegendes und zu koppelndes Einstab-Spannglied, mit dessen Hilfe der Freivorbau in Spannbeton gelingen konnte. Als ein bedeutender Markstein für die Entwicklung des deutschen Spannbetonbaus ist die Strombrücke des Wormser Bauwerks von besonders großem bautechnikgeschichtlichem Wert – eine Einschätzung die auch die Bundesingenieurkammer teilt und ihr daher am 1. September 2022 den Titel „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ verliehen hat. Zugleich kann sie als Schlüsselprojekt für den nachfolgenden Siegeszug des Spannbetons gelten, ohne den nicht nur in Deutschland der Aufbau des heutigen Autobahnnetzes nicht realisierbar gewesen wäre. Als materialisiertes Erinnerungszeichen der Geschichte des Individualverkehrs ist die Strombrücke der Nibelungenbrücke zugleich ein wesentliches Kulturerbe der Hochmoderne in der Bundesrepublik Deutschland. |
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| Aktuelle Nutzung |
In Betrieb | ||
| Denkmalstatus | Eingetragen als Kulturdenkmal in die Denkmallisten der Länder Rheinland-Pfalz (Stadt Worms) sowie Hessen (Kreis Bergstraße) seit 2003. | ||
| Bedrohungsszenario |
Aufgrund der angestiegenen Verkehrsbelastung wurde die Nibelungenbrücke 2005–08 südlich um eine formal an den Bestand angelehnte Parallelbrücke erweitert. Anschließend erfolgte 2010–13 eine umfangreiche Instandsetzung des historischen Bauwerks. Im April 2019 wurde der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass die Restlebensdauer der denkmalgeschützten Strombrücke im Jahr 2028 ablaufe. Die Planung sah lediglich einen Erhalt der bautechnikgeschichtlich unbedeutenden Vorlandbrücken sowie des historistischen Brückenturms auf Wormser Seite vor. Die bautechnikgeschichtlich außerordentlich bedeutsame Strombrücke sollte hingegen 2025 abgebrochen werden, um einem Ersatzbau Platz zu machen. Die besondere historische Bedeutung der Brücke veranlasste die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) zur Durchführung eines öffentlichen Fachgesprächs im Jahr 2021, in dessen Folge das Bundesverkehrsministerium (BMV) eindringlich gebeten wurde, moderne Möglichkeiten des Dauermonitoring und Ertüchtigungsmethoden zum Erhalt der Nibelungenbrücke in Erwägung zu ziehen. In der Folge wurde die Nibelungenbrücke als „Validierungsbauwerk“ in das DFG-Schwerpunktprogramm 2388 „Hundert plus – Verlängerung der Lebensdauer komplexer Baustrukturen durch intelligente Digitalisierung“ (SPP 100+) integriert. Mit Ende November 2024 wurde für die Nibelungenbrücke innerhalb des SPP 100+ eine eigenständige FE-Einheit eingerichtet mit dem Ziel einen bedeutenden Beitrag zur Verlängerung der Lebensdauer der Nibelungenbrücke in Worms zu leisten. Neben einer nochmaligen Nachrechnung nach wissenschaftlichen Methoden (Nachrechnungsrichtlinie Stufe 4), erfolgen zudem eine vollständige Digitalisierung des Bauwerks und die Erstellung eines digitalen Zwillings unter ständiger Aktualisierung mit Daten einer automatisierten dauerhaften Beobachtung der Nibelungenbrücke (Structural Health Monitoring). Dabei wird eng zusammengearbeitet mit der zuständigen Auftragsverwaltung dem Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz (LBM), Standort Worms. Ein Ersatzbau mit Baubeginn 2028 ist aktuell nicht mehr vorgesehen. |
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| Literatur/Quellen |
Die Nibelungenbrücke in Worms. Zur Zukunft eines bedeutenden Ingenieurbauwerks [Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz. Aus Forschung und Praxis; 6]. Hg. von der Generaldirektion für Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Landesdenkmalpflege, dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen und dem Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz. Petersberg: Imhof, 2023. Dicleli, C.: Die Nibelungenbrücke Worms [Historische Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland; 27]. Berlin: Bundesingenieurkammer, 2021 Dicleli, C.: „Ulrich Finsterwalder – Doyen des Brückenbaus“. In: Curbach, M. (Hg.): 26. Dresdner Brückenbausymposium. Planung, Bauausführung, Instandsetzung und Ertüchtigung von Brücken, 14./15. März 2016. Dresden: Institut für Massivbau der TU Dresden, 2016, S. 119–151 Pelke, E.; Zichner, T.: „Ertüchtigung der Nibelungenbrücke Worms“. In: Beton- und Stahlbetonbau 110 (2015), Nr. 2, S. 113–130 Finsterwalder, U.; Schambeck, H.: „Von der Lahnbrücke Balduinstein bis zur Rheinbrücke Bendorf“. In: Der Bauingenieur40 (1965), Nr. 3, S. 86–91 Finsterwalder, U.; Kern, G.: „Bauen in Spannbeton“. In: Beton (1963), Nr. 9, S. 411–424 Die Nibelungenbrücke in Worms am Rhein. Festschrift zur Einweihung und Verkehrsübergabe der neuen Straßenbrücke über den Rhein am 30. April 1953. Hg. vom Oberbürgermeister der Stadt Worms. Berlin u.a.: Springer, 1953 Finsterwalder, U.: „Bau der Straßenbrücke über den Rhein in Worms“. In: Beton- und Stahlbetonbau 48 (1953), Nr. 1, S. 1–5 Finsterwalder, U.: „Dywidag-Spannbeton“. In: Der Bauingenieur 27 (1952), Nr. 5, S. 141–158 Voigt, C.; Barr, C.; Jackmuth, A.; Kerkeni, N.; Klein, F.; Klimt, A.; Marx, S.; Marzahn, G.; Naraniecki, H.; Waßmann, M.: „Bestandsbewertung als Grundlage für die Restnutzungsdauerverlängerung mit Digitalen Zwillingen“. In: Bautechnik 102 (2025), Nr. 3, S. 177–185 |
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| Weblinks |
„B 47 – Nibelungenbrücke Worms: ‚Verlängerung der Nutzungsdauer durch intelligente Digitalisierung‘“, Stand Juli 2024 (https://lbm.rlp.de/grossprojekte/b-47-nibelungenbruecke-worms) „Neue Chance für die Nibelungenbrücke in Worms“, veröff. 3.6.2022 (https://gdke.rlp.de/service/presse/detail/neue-chance-fuer-die-nibelungenbruecke-in-worms) Cengiz Dicleli: „Die Nibelungenbrücke Worms – Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst“. In: Deutsches Ingenieurblatt 4/2021 (https://www.deutsches-ingenieurblatt.de/fachartikel/artikeldetail/die-nibelungenbruecke-worms) Rhein-Neckar-Fernsehen: „Worms: Abriss der Nibelungenbrücke“, o.D. [2019] (https://www.rnf.de/mediathek/video/worms-abriss-der-nibelungenbruecke) Roland Keth: „Denkmalschützer müssen sich fügen“. In: Allgemeine Zeitung, 10.4. 2019 (https://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/rheinhessen/denkmalschutzer-mussen-sich-fugen_20073666) urs: „Weiteres Hindernis in der Region“. In: Mannheimer Morgen, 10.4.2019 (https://www.morgenweb.de/suedhessen-morgen_artikel,-worms-weiteres-hindernis-in-der-region-_arid,1429329.html) Roland Keth: „Ersatzneubau für alte Nibelungenbrücke bei Worms bis 2028 geplant“, Allgemeine Zeitung, 3.4.2019 (https://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/rhein-main/ersatzneubau-fur-alte-nibelungenbrucke-bei-worms-bis-2028-geplant_20059156) Johannes Götzen: „Alte Nibelungenbrücke bei Worms muss erneuert werden“, Wormser Zeitung, 1.4.2019 (https://www.wormser-zeitung.de/lokales/worms/nachrichten-worms/alte-nibelungenbrucke-bei-worms-muss-erneuert-werden_20053953) Sarah Schrade: „Der Rheinübergang bei Worms“, veröff. 31.7.2013, 19.12.2014 (https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/) Simone Reus: „Sagenhafte Sanierung. Die Nibelungenbrücke bei Lampertheim“. In: Denkmal – Zeitschrift zum „Tag des offenen Denkmals“ in Hessen, 12.9.2010, S. 3 (https://lfd.hessen.de/sites/lfd.hessen.de/files/content-downloads/Denkmalzeitung%202010.pdf) Schwerpunktprogramm Hundert Plus: „Cluster Nibelungenbrücke – Praxisnaher Wissenstransfer“ (https://www.spp100plus.de/forschung/cluster-a-1-1/) |
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| Ersteintrag | 30.11.2020 (EP) | ||
| Änderungen |
20.05.2025 (EP) |
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